selbstfürsorge lernen tipps übungen
selbstfürsorge lernen tipps übungen

Streitthema Alkohol in Beziehungen: Ein achtsamer Umgang und Wege der Kommunikation

Der Umgang mit Alkohol ist ein Thema, das in Partnerschaften und Freundschaften zu Konflikten führen kann. Vielleicht hast du bemerkt, dass jemand aus deinem Umfeld aus deiner Sicht „zu viel trinkt“. Dieses Thema anzusprechen, ist oft herausfordernd. Im Folgenden möchte ich dir Ansätze zeigen, um diese Gespräche empathisch und zielführend zu gestalten und dabei gleichzeitig die eigenen Grenzen zu wahren.

1. Was kannst du tun, wenn der Alkoholkonsum belastend ist?

Bevor du das Gespräch suchst, nimm dir Zeit, für deine Gedanken, (unerfüllten) Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle. Kläre zunächst für dich, warum der Alkoholkonsum der anderen Person – zum Beispiel deines Partners oder deiner Freundin – dich belastet. Reflexion ist der erste Schritt, um eine konstruktive Gesprächsgrundlage zu schaffen.

Selbstreflexion und Selbstempathie

1. Was macht dir Sorgen und was fehlt dir?


Vielleicht hast du den Eindruck, dass der Konsum die physische und/oder psychische Gesundheit der anderen Person gefährdet. Oder du merkst, dass sich eure Beziehung oder Freundschaft verändert – durch beispielsweise Streit, Rückzug oder mangelnde Verlässlichkeit. Falls du eine Veränderung beobachtet hast, in welchen konkreten Momenten und Situationen ist dies für dich besonders spürbar, was fehlt dir? Wünscht du dir zum Beispiel mehr Verbindlichkeit oder gemeinsame Zeit ohne den Einfluss von Alkohol?

2. Welche Gefühle löst die Situation bei dir aus?

Versuch, deine Gefühle klar zu benennen: Fühlst du dich unsicher, hilflos oder alleine mit der Situation? Schämst du dich vielleicht auch und wenn ja, was steckt möglicherweise dahinter? Gefühle sind wertvolle Hinweise darauf, welche Bedürfnisse bei dir (un)erfüllt sind.

3. Wie ist die Haltung dir selbst gegenüber?

Nimm dir bewusst Zeit, um dir Einfühlung zu schenken. Erlaube dir, deine Gefühle zu benennen, ohne sie zu bewerten oder wegzuschieben. Versuche, dir selber wohlwollend zu begegnen und dich sowie deine Gefühle ernst zu nehmen. Diese Selbstempathie und das Bewusstwerden der eigenen Gefühle, Wünsche und (un)erfüllten Bedürfnisse sind wichtig für eine Basis eines Gesprächs weg von Vorwürfen wie „Du trinkst immer so viel“ und Schuldzuweisungen – auch vor dem Hintergrund, dass dies eher zu Widerstand und Abwehr beim Gegenüber führt, was die Verbindung, die man sich sicherlich unter anderem durch solch ein Gespräch wünscht, erschwert.

2. Wie kannst du das Thema Alkohol konkrekt ansprechen?

Ein Gespräch über Alkohol in eurer Beziehung oder Freundschaft ist insbesondere eine Einladung zur Reflexion und zum ehrlichen und offenen Austausch und keine Aufforderung des Gegenübers zur Veränderung. Es geht vielmehr darum, die Verbindung zu stärken und gemeinsam zu verstehen, was passiert und was ihr beide braucht.

Den richtigen Moment finden

Sicherlich wird es nicht „den perfekten Moment geben“ und vielleicht kostet es dich auch Mut und Überwindung, das Gespräch zu suchen. Insbesondere kannst du darauf achten, in den Austausch – und in die Verbindung – zu gehen in einem ruhigen und vertraulichen Moment, wo kein Alkohol im Spiel ist.

Deine Perspektive

Von sich selbst zu sprechen, die eigene Perspektive mit der anderen Person zu teilen, fördert die Offenheit, Verbindung und macht eine Verteidigungshaltung beim Gegenüber unwahrscheinlicher. Wie geht es dir, wenn du was genau beobachtest? Was fehlt dir dadurch, welche Bedürfnisse sind bei dir dadurch nicht erfüllt und was wünschst du dir?

Ein konkretes Beispiel:

Ich weiß, wir haben bereits häufiger darüber gesprochen, gleichzeitig liegt mir das Thema sehr am Herzen, weil du mir wichtig bist, weil unsere Beziehung mir wichtig ist – und ich möchte noch einmal in den Austausch mit dir gehen. Hast du gerade Ressourcen für einen Austausch?

Falls ein „Ja“ zurückkommt, kannst du weitermachen mit beispielsweise:
Ich habe bemerkt, dass du seit Anfang des Jahres mehrmals die Woche Alkohol trinkst. Ich mache mir Sorgen um dich und um uns – und ehrlich gesagt habe ich auch Angst. Ich würde gerne mit dir in den Austausch gehen und wünsche mir, dass wir offen darüber sprechen, wie du deinen Alkoholkonsum erlebst, wie ich ihn erlebe und gemeinsam überlegen, was wir brauchen. Magst du mir erzählen, wie es dir geht, wenn du das von mir hörst?

Oft braucht es mehrere Gespräche oder Versuche, solche Gespräche zu führen und sie können zudem sehr herausfordernd sein, gleichzeitig bieten sie auch eine Chance in eine aufrichtige Verbindung zu gehen und etwas in eurer Beziehung oder Freundschaft zu verändern.

3. Was kannst du darüber hinaus tun?

Neben dem Gespräch gibt es weitere Möglichkeiten, wie du die Situation aktiv und konstruktiv gestalten kannst:

Auf sich und die eigenen Grenzen achten

  • Im ersten Schritt ist es sicherlich wichtig, (weiter) Verantwortung für sich selbst zu übernehmen – beispielsweise eigene Freundschaften, Hobbys und Routinen weiterhin aufrecht zu erhalten. Bei Bedarf kannst du selber eine Beratungsstelle oder ein anderes professionelles Setting wie eine psychologische Beratung aufsuchen.
  • Allgemein ist wichtig, dass du auf deine eigenen Grenzen achtest. Du kannst die Verantwortung für Veränderung der anderen Person nicht übernehmen und du kannst für die andere Person auch keine Entscheidungen treffen – diese Verantwortung liegt nicht bei dir. Gleichzeitig kannst du unterstützend da sein.

Unterstützung anbieten und realistisch bleiben

  • Sicherlich wünschst du dir zeitnah eine Veränderung. Gleichzeitig ist nicht jeder sofort bereit, das eigene Verhalten zu ändern und Unterstützungsangebote anzunehmen. Gleichzeitig kannst du für die andere Person da sein, ihr – auch immer wieder – z.B. emotionale Unterstützung anbieten oder die andere Person zum Erstgespräch in einer beispielsweise Drogen- und Suchtberatungsstelle in eurer Nähe begleiten oder zusammen nach anderen professionellen Settings wie einer Psychotherapie oder einer psychologischen Beratung suchen. Möglicherweise ist auch eine Paartherapie eine passende Strategie für euch. Schaut für euch, was ihr braucht und was für euch passt.

Sich informieren

Informiere dich über Alkoholkonsum, alkoholbezogene Störungen und mögliche Wege der Unterstützung. Im Folgenden findest du ein paar mögliche Anlaufstellen für euch:

Stand: 12/2024. Alle Angaben sind ohne Gewähr.

 

Gemeinsam erste Schritte gehen

Das Thema Alkohol in Beziehungen und Freundschaften anzusprechen, erfordert Mut und Einfühlungsvermögen. Mit Selbstreflexion, einem respektvollen Gesprächsansatz und der Bereitschaft, Unterstützung anzubieten, kannst du eine wichtige Basis für Veränderung schaffen. Es geht nicht darum, Verantwortung für die andere Person zu übernehmen, sondern vielmehr um ehrliche und offene Kommunikation und gegenseitiges Verständnis. Solltet ihr Unterstützung benötigen, zögert nicht, professionelle Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.

Autorin: M.Sc. Psych. Julia Schweitzberger