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Im Konflikt verbunden – Lösung von Beziehungskonflikten mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation (GfK)

Häufiger Streit und reaktive Verhaltensweisen können unsere Paarbeziehung belasten und rauben uns viel Zeit und Energie. Die Art und Weise, wie wir Konflikten begegnen, entscheidet darüber, ob wir Wachstum und Verbindung in unserer Beziehung fördern oder Spannungen und Distanz verstärken. Eine unterstützende Möglichkeit, auf die wir bei der Konfliktbewältigung zurückgreifen können, stellt der Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) nach Marshall B. Rosenberg dar, in dem uns eine achtsame, wertschätzende und empathische Grundhaltung nähergebracht wird.

Mehrwert der GfK?

Bei der GfK üben wir uns darin, achtsam in uns selbst hineinzuhören, mitfühlend mit unserem Gegenüber zu kommunizieren und gemeinsam an einer Konfliktlösung zu arbeiten. Vor allem in Partnerschaften kann dieser Ansatz eine transformative Wirkung haben, sodass unsere Beziehung an Harmonie gewinnt. In einer Untersuchung verbesserten sich durch ein auf der GfK basierendes Kommunikationstraining bereits nach drei Wochen die Kommunikation und die Zufriedenheit der teilnehmenden Paare (Vazhappilly & Reyes, 2017). Mit etwas Übung gelingt es uns, die Schritte der GfK bewusst zu verinnerlichen und diese im Alltag anzuwenden.

Die Basis der GfK: Vier Schritte zur einfühlsamen Kommunikation

Schritt 1: Unsere Beobachtungen äußern „Was geschieht in diesem Moment?“

Wir teilen dem anderen unsere Wahrnehmung mit ohne jegliche Bewertung und in einer möglichst neutralen Formulierung. Wir sagen dann zum Beispiel: „Mir ist aufgefallen, dass du heute um 23 Uhr anstatt um 18 Uhr nach Hause gekommen bist.“, anstelle von: „Du gehst lieber mit deinen Freunden raus, anstatt Zeit mit mir zu verbringen!“

Schritt 2: Unsere Gefühle verstehen „Wie geht es mir damit?“

Wir übernehmen Verantwortung für unsere Emotionen und bemühen uns, diese zu begreifen und zu verbalisieren: „Ich fühle mich verletzt und frustriert.“ Manchmal wissen wir selbst nicht genau, wie wir uns fühlen und es bedarf am Anfang etwas Übung, die Nuancen unserer eigenen Gefühlswelt zu erkennen und zu benennen. Hilfreich könnte es in dem Fall sein, ein sogenanntes „Gefühlsrad“ zu betrachten, damit wir auf unsere Gefühlslage zutreffende Begriffe finden.

Schritt 3: Unsere Bedürfnisse erkennen „Welche Bedürfnisse stehen hinter meinen Gefühlen?“

Wir teilen unserem Gegenüber mit, welche Bedürfnisse, Wünsche oder Werte hinter unseren Gefühlen stehen. Anstatt zu sagen: „Du bist so rücksichtslos!“, könnten wir äußern: „Ich fühle mich verletzt und frustriert, weil ich den Abend ganz allein verbracht habe (Mein Bedürfnis nach Verbindung wurde nicht erfüllt).“

Schritt 4: Unsere Wünsche äußern „Was wünsche ich mir jetzt?“

Wir sagen ganz konkret, was wir uns vom anderen wünschen und formulieren es auf eine positive Art. Wir können unsere:n Partner:in fragen, ob er:sie bereit ist, auf unsere Gefühle einzugehen. Anstatt zu sagen: „Ich will, dass du damit aufhörst am Wochenende so lange auszugehen!“, könnten wir fragen: „Würdest du dir einen Tag am Wochenende für uns freihalten, damit wir gemeinsam Zeit verbringen können?“

Dass diese Art der Kommunikation auf den ersten Blick etwas formal wirkt, ist nachvollziehbar. Es geht bei der Anwendung der GfK nicht darum, diese Schritte inmitten des Konflikts abzuarbeiten, sondern vielmehr um unser Bewusstsein dieser vier grundlegenden Komponenten und die innere Haltung, die wir durch deren Verinnerlichung einnehmen.

Die Verbindung im Konflikt als Schlüssel

„In einem Konflikt verwenden beide Parteien normalerweise zu viel Zeit darauf, beweisen zu wollen, dass sie Recht haben und die andere Seite unrecht, statt auf ihre eigenen Bedürfnisse und die ihres Gegenübers zu achten“ (Rosenberg, 2018, S. 157).

Es ist wichtig zu verstehen, dass das Ziel in einem Konflikt nicht darin bestehen sollte, unsere:n Partner:in dazu zu bringen, das zu tun, was wir uns von ihm:ihr wünschen. Unsere Bedürfnisse über die des anderen zu stellen oder den Konflikt „gewinnen“ zu wollen, spaltet uns als Paar und steht der Lösung des Konflikts im Weg. Wenn wir Konflikten mit der GfK begegnen möchten, ist es wichtig, eine liebevolle Verbindung zu uns selbst und zueinander aufzubauen sowie aufrechtzuerhalten. Dies gelingt, indem jede Partei den Eindruck gewinnt, dass ihre eigenen Bedürfnisse wichtig sind.

Bei der GfK besteht das „Ziel“ darin, dem Anliegen beider gerecht zu werden, sodass jede:r sich gehört und gesehen fühlt. Um dies zu erreichen, ist es wichtig:

  • unsere eigenen Bedürfnisse auszusprechen,
  • die Bedürfnisse unseres Gegenübers wahrzunehmen,
  • sicherzustellen, dass wir unsere Bedürfnisse gegenseitig wahrgenommen haben und solange empathisch zu sein, bis wir diese wirklich begreifen.

Indem wir uns in unseren Gegenüber hineinversetzen, erhalten wir die Verbindung zueinander und es wird uns leichter fallen, Lösungsstrategien vorzuschlagen, die beiden gerecht werden.

Idealerweise hören wir uns gegenseitig sehr genau zu und vermeiden eine Ausdrucksweise, die unterstellt, dass der andere etwas falsch gemacht hätte. Oftmals sind Aussagen, die anderen ein Fehlverhalten unterstellen, eine unglücklich gewählte Art, unsere eigenen Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen und führen beim Gegenüber zu einer selbstverteidigenden Haltung (Rosenberg, 2018).

Die Rolle der Achtsamkeit bei Konflikten

Achtsamkeit spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, während einer Konfliktsituation in uns selbst hineinzuhören und uns zu fragen:

  • „Gelingt es mir gerade, meinem Gesprächspartner vorurteilsfrei zuzuhören?“
  • „Bin ich noch in der Lage, das Gehörte ohne Interpretation aufzunehmen oder befinde ich mich bereits in einer selbstverteidigenden Haltung?“
  • „Höre ich meinem Gegenüber gerade wirklich zu, ohne mir bereits Erwiderungen zu überlegen?“

Wenn wir feststellen, einen dieser Punkte nicht zu erfüllen, ist es sinnvoll, dies offen mitzuteilen: „Ich fühle mich gerade angegriffen und ich bin mir unsicher, ob ich deine Worte wertfrei aufnehmen kann.“

Ebenso ist es bei sehr aufgeladenen Diskussionen hilfreich, um eine kurze Pause zu bitten, in der jeder sich den Raum nehmen kann, kurz durchzuatmen und herunterzufahren. Danach können wir das Gespräch auf der Grundlage der GfK fortführen.

Konflikte als Chance

Für unsere Partnerschaft stellen Konflikte oftmals eine Belastung dar und manchmal neigen wir dazu, ihnen aus dem Weg gehen zu wollen. Eine Auseinandersetzung kann für einige von uns beängstigend und kräftezehrend sein.

Dennoch möchte ich uns alle dazu ermutigen, Konflikte aus der Perspektive der gewaltfreien Kommunikation zu betrachten: Konflikte bieten uns die Möglichkeit, mehr über uns selbst und unsere:n Partner:in zu erfahren. Wenn wir uns als Paar an den Grundprinzipien der GfK orientieren, können wir uns in Konflikten einen Raum eröffnen, in dem ein tieferes Verständnis füreinander möglich ist. Im Kern geht es also darum:

  • Die vier Schritte der GfK als Basis unserer Kommunikation zu vereinbaren.
  • Einander einfühlsam zu begegnen und eine liebevolle Verbindung aufrechtzuerhalten.
  • Achtsam in uns selbst hineinzuhören.

So gelingt uns nicht nur, die Handlungen und Reaktionen des anderen besser nachzuvollziehen, sondern auch uns selbst besser zu verstehen. Auf diese Weise können wir aus Konflikten lernen, denn sie bieten uns die Chance für persönliches und partnerschaftliches Wachstum.

Quellen:

Vazhappilly, J.J., Reyes, M.E.S. (2017). Non-Violent Communication and marital relationship: Efficacy of ‘Emotion-Focused Couples’ Communication Program Among Filipino Couples. Psychological Studies 62(3), 275–283. https://doi.org/10.1007/s12646-017-0420-z

Rosenberg, M. B. (2016). Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens. Junfermann Verlag GmbH.

Rosenberg, M. B. (2018). Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation: Ein Gespräch mit Gabriele Seils. Verlag Herder.

Autorin: Julia Platzmann