Verstehen statt Verwirren: Vier Ohren für klare Führung und starke Teams.
Ein Projekt läuft schief, die Deadline wird verpasst und es entstehen Fehler. Nun ist man als Führungskraft gefragt, dem Team Feedback zu geben, damit solche Fehler nicht wieder vorkommen und das Team motiviert ist, zukünftig sorgfältiger zu arbeiten. Doch wie kann dies im Arbeitsalltag umgesetzt werden?
Eine Methode, die Verständnis für die Wirkung von Aussagen und Hilfe für eine klarere Kommunikation schafft, ist das Vier-Ohren-Modell des Kommunikationspsychologen und Psychologieprofessors Friedemann Schulz von Thun.
Um das Vier-Ohren-Modell zu veranschaulichen, betrachten wir zunächst folgendes Beispiel einer weniger gelungenen Kommunikation:
Die Führungskraft kommuniziert folgendes zum Team: „Wie kann es sein, dass so ein Fehler passieren konnte? Das war ein einfacher Prozess und durch euren Fehler haben wir Zeit und Geld verloren. Ich hoffe, ihr bekommt es beim nächsten Mal besser hin.“
Sachinhalt: Das Team bekommt zwar zu hören, dass es einen Fehler gab. Die Aussage ist jedoch vage und diffus formuliert und wirkt wenig konstruktiv, sodass Details zum Fehler und zu möglichen Verbesserungen fehlen.
Selbstoffenbarung: Die Führungskraft drückt Verärgerung und Unverständnis aus, was das Team als Frustration und fehlendes Vertrauen auffassen könnte. Statt Selbstreflexion zeigt sich hier eher eine Distanz zum Team und ein „Ich hätte es besser gemacht“-Denken.
Beziehungsebene: Der Satz „Das war ein einfacher Prozess“ vermittelt unterschwellig, dass das Team nicht fähig genug ist und könnte als abwertend und bevormundend empfunden werden. Zudem wird durch die Aussage: „Ich hoffe, ihr bekommt das beim nächsten Mal besser hin“ Distanz geschaffen, als stünde die Führungskraft über dem Team.
Appell: Der Appell bleibt in diesem Beispiel indirekt und wirkt eher wie eine drohende Erwartung, als eine konkrete, konstruktive Bitte. Das Team erhält wenig Anleitung oder Vorschläge zur Veränderung, sondern wird lediglich angehalten, „es besser zu machen“.
In diesem Fall fühlt sich das Team wahrscheinlich kritisiert, missverstanden und zudem nicht wertgeschätzt. Statt das Gefühl zu haben, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, wirkt das Feedback belehrend und frustrierend. Die Führungskraft lässt wenig Raum für eine offene und lösungsorientierte Diskussion, sodass das Team defensiv und demotiviert reagieren könnte. Das eigentliche Ziel des Feedbacks, nämlich das Team anzuspornen und zu motivieren, wird verfehlt.
Das Vier-Ohren-Modell verstehen
Das Vier-Ohren-Modell sagt grundlegend aus, dass wir auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig kommunizieren, da jede gesendete Nachricht ein ganzes Geflecht von Botschaften ist. So erhält der Empfänger die Nachricht vom Sender auf vier Ebenen und kann sie unbewusst mit vier Ohren hören und interpretieren.
- Das Sachohr konzentriert sich ausschließlich auf den rein inhaltlichen Aspekt der Nachricht, losgelöst von Wertung und Interpretation.
- Das Selbstoffenbarungsohr nimmt wahr, was die sprechende Person über sich selbst preisgibt. Jede Äußerung enthält Informationen darüber, wie sich die sprechende Person fühlt, was sie denkt oder welche Werte sie hat, bewusst oder unbewusst.
- Das Beziehungsohr ist darauf ausgerichtet, was die Nachricht über das Verhältnis zwischen Sprecher und Empfänger aussagt. Es zeigt, ob der Sprecher Respekt, Kritik oder Belehrung ausdrückt. Häufig wird auf diesem Ohr am meisten „hineingehört“, was zu Missverständnissen führen kann.
- Das Appellohr fokussiert sich auf den Wunsch oder die Aufforderung, die in der Nachricht mitschwingt. Oft senden Menschen Nachrichten mit dem Ziel, dass der Empfänger etwas Bestimmtes tut oder eine bestimmte Reaktion zeigt, auch wenn dies nicht explizit formuliert wird.
Wenn nun der Sender eine Nachricht an den Empfänger schickt, kann der Empfänger diese Nachricht durch die verschiedenen Ohren wahrnehmen. Durch diese Vielfältigkeit passiert es häufig, dass die Botschaften anders ankommen können, als sie gesendet wurden. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass der Sender seine Nachricht möglichst konkret sowohl verbal als auch nonverbal z.B. durch Mimik und Gestik oder seine Tonlage sendet.
Ein alternatives Beispiel, wie eine Führungskraft konstruktives Feedback geben kann, das zudem die Teamdynamik stärkt
Die Führungskraft kommuniziert folgendes zum Team: „Ich habe gesehen, dass es bei diesem Projekt zu Verzögerungen und Fehlern kam. Das hat unseren Zeitplan beeinflusst. Lasst uns gemeinsam schauen, wie wir so etwas in Zukunft vermeiden können.“
Sachinhalt: Die bestehende Situation wird neutral beschrieben, ohne die Tatsache dabei zu bewerten, sodass das Team nur die Fakten hört.
Selbstoffenbarung: „Ich habe gesehen…“ und „Lasst uns gemeinsam schauen…“ deuten darauf hin, dass die Führungskraft sowohl Verantwortung übernehmen als auch das Team unterstützen möchte. Das Team könnte hierdurch erkennen, dass die Führungskraft sich selbst reflektiert und auch nach ihrer eigenen Rolle in dem Fehler sucht und somit an einer Lösung interessiert ist und die Verantwortung nicht nur dem Team zuschiebt.
Beziehungsebene: Das Team könnte anhand der Formulierung: „Lasst uns gemeinsam schauen, wie wir so etwas in Zukunft vermeiden können.“ erkennen, dass ihnen die Führungskraft auf Augenhöhe begegnet und hierbei mehr Wert auf ein gemeinsames Lernen, als auf Schuldzuweisungen legt. Das drückt Respekt und Wertschätzung für das Team aus.
Appell: Der Appell wird in diesem Beispiel eher indirekt formuliert, wodurch er weniger druckvoll und eher als Einladung zum Mitdenken wirkt. Es wird also appelliert, dass man in Zukunft gemeinsam achtsamer arbeitet und die Fehlerquellen analysiert, um solche in Zukunft zu vermeiden.
Diese Art von Feedback durch die Führungskraft schafft eine konstruktive Basis für die Konversation. Sie macht keine direkten Schuldzuweisungen und zeigt sowohl Bereitschaft zur Eigenverantwortung als auch Respekt vor dem Team. Dies fördert eine offene und motivierende Atmosphäre, in der das Team eher bereit ist, in den Austausch zu gehen und Lösungen zu finden.
Versetzt man sich in beide Szenarien, ist deutlich erkennbar, wie kleinste Veränderungen die Wirkung von Aussagen beeinflussen und verändern können. Dies kann sich unter anderem erheblich auf die Motivation von Mitarbeitenden auswirken.
Handlungshilfen, wie Führungskräfte klarer kommunizieren können basierend auf dem Vier-Ohren-Modell
Verständnis statt Verwirrung schaffen!
Durch das Vier-Ohren-Modell bietet sich hierfür eine gute Grundlage. Es schafft einen wertvollen Ansatz für Führungskräfte und auch alle anderen Personen, ihre Botschaften bewusst, klar und differenziert zu gestalten.
Indem Führungskräfte auf der Sachebene klar benennen, auf der Selbstoffenbarungsebene eigene Gedanken und Anliegen offenlegen, auf der Beziehungsebene Respekt und Wertschätzung zeigen und auf der Appellebene verständliche, motivierende Erwartungen formulieren, können sie Missverständnisse vermeiden und Verwirrung vorbeugen. Statt Kritik unbedacht zu äußern, schafft ein solcher Kommunikationsstil eine offene und kooperative Atmosphäre, in der das Team sich wertgeschätzt und als Teil der Lösung wahrgenommen fühlt.
Durch diesen bewussten Umgang mit Sprache und der gezielten Berücksichtigung aller Kommunikationsebenen wird Führung nicht nur klarer, sondern auch nahbarer und vertrauensvoller. So entsteht ein starkes und ambitioniertes Team, welches ein Fundament für nachhaltige Erfolge bietet.
Quellen:
Von Thun, F. S. (2013). Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen: Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Rowohlt Verlag GmbH.
Abbildung des Vier-Ohren-Modells angelehnt an: Projekte leicht gemacht. (2022, 24. Februar). Das Vier Ohren Modell: Praxisnahe Erklärung und ein einfaches Beispiel [Video]. YouTube. Abgerufen am 14.11.2024 unter https://www.youtube.com/watch?v=USEM11RElsQ.
Autorin: Annabell Rausch